Heinrich von Kleist, Das Erdbeben in Chili - Inhaltsangabe

1.040 Wörter, 7.000 Anschläge


Die Erzählung handelt von dem Liebespaar Jeronimo und Josephe. Jeronimo Rugera ist Lehrer im Hause des reichen Edelmannes Henrico Asteron. Aufgrund einer Liebesbeziehung zu dessen einziger Tochter, Donna Josephe, wird er des Hauses verwiesen. Der stolze Bruder Josephes verrät die Liebenden und nach mehrfacher Ermahnung schickt Henrico Asteron seine Tochter in ein Karmeliterkloster.

Dort, auf den Stufe der Kathedrale, bricht Donna Josephe unter Mutterwehen zusammen. Sie gebiert einen Sohn und wird kurze Zeit später zum Tod durch Verbrennung verurteilt. Jeronimo wird in ein Gefängnis gesperrt und muss dort hilflos auf die Hinrichtung seiner Geliebten warten. Jeder Versuch zu flüchten ist vergebens. Durch einen Machtspruch des Vizekönigs wird die Straft Donna Josephes gemildert und in Tod durch Enthauptung geändert.

Der Termin der Hinrichtung rückt immer näher und auf den Straßen der Hauptstadt St. Jago versammelt sich eine große Anzahl von Zuschauern. Als das Glockengeläut ertönt, das Josephe zu ihrem Hinrichtungsort geleitet, fasst Jeronimo den Entschluss, sich das "verhaßte" Leben zu nehmen. Einen Strick, der ihm geblieben ist, bindet er an einem Haken fest, der sich an einem Wandpfeiler befindet.

Gerade in diesem Moment der völligen Hoffnungslosigkeit beginnt die Erde zu beben. Auf allen Straßen herrscht Chaos. Die Menschen, die sich zur Hinrichtung versammelt haben, werden unter den Trümmern der Stadt begraben.

Nach Kleist handelt es sich bei seiner Schilderung um die große Erderschütterung vom Jahre 1647 in St. Jago, der Hauptstadt des Königreichs Chili, bei der nach seinen Angaben viele tausend Menschen ihren Untergang fanden.

Durch einen Zufall reißt die Gefängnismauer und Jeronimo kann sich unter Schock aus dem Gefängnis retten. Durch diese Katastrophe gelingt es Jeronimo Rugera, auf einen Hügel jenseits der Stadttore zu fliehen, wo er ohnmächtig zusammenbricht.

Zur selben Zeit befindet sich Donna Josephe in dem Hinrichtungszug, der durch die große Erschütterung zusammenbricht. Sie flieht zu den Toren der Stadt, als ihr der geliebte Sohn in den Sinn kommt, der sich noch im Kloster befindet. Mutig eilt sie zurück und gelangt an das Kloster. Sie schafft es, ihr Kind aus dem brennenden Gebäude zu befreien. Die Klosterfrauen kommen währenddessen unter entsetzlichen Umständen ums Leben.

Als Jeronimo auf dem Hügel erwacht, überkommt ihn ein Gefühl der Glücksseligkeit, dieses jedoch vergeht, als er sich Josephes erinnert. Er erkundigt sich bei den Flüchtenden, ob denn die Hinrichtung stattgefunden habe, und ihm wird die Frage bejaht. Er beschließt, sich dennoch umzusehen, und entdeckt sie schließlich am Fluss, wo sie ihren gemeinsamen Sohn badet. Beide sind selig. Josephe, die auf ihrem Weg das zusammengestürzte Gefängnis erblickte, ist glücklich, ihren totgeglaubten Geliebten lebend aufzufinden.

Nachdem beide von ihren erschreckenden Erfahrungen berichtet haben, setzen sie sich an einem versteckten Ort nieder, wo Jeronimo seinen Sohn voll Vaterfreude liebkost.

"[…] und waren sehr gerührt, wenn sie dachten, wie viel Elend über die Welt kommen mußte, damit sie glücklich würden!"

Die Liebenden beschließen, über Umwege nach Spanien auszuwandern, wo Jeronimos Familie lebt. Von den Strapazen ermüdet, schlafen sie schließlich glücklich, sich wieder zu haben, ein.

Am nächsten Morgen, als Jeronimo Rugera gerade überlegt, wie er seine Familie versorgen kann, kommt ein Mann auf das Paar zu. Dieser, namentlich Don Fernando, bittet Josephe, die in ihm einen Bekannten entdeckt, seinem Säugling die Brust zu geben, da dessen Mutter bei der Erderschütterung schwer verletzt wurde. Donna Josephe schlägt ihm seine Bitte nicht ab und stillt den Knaben, woraufhin Don Fernando die Familie des Jeronimo auffordert, sich zu der seinigen zu gesellen, welche gerade ein kleines Frühstück am Feuer vorbereitet. Sie werden freundlich empfangen. Donna Elvire, die Frau des Don Fernando, ist dankbar dafür, dass Josephe sich ihres Sohnes annimmt.

Donna Elvire empfindet starkes Mitgefühl für Josephe, die nur einen Tag zuvor hingerichtet werden sollte. Es scheint, es gäbe eine neue, paradiesische Art des Miteinanders: "Auf den Feldern, so weit das Auge reichte, sah man Menschen von allen Ständen durcheinander liegen, Fürsten und Bettler, Matronen und Bäuerinnen, Staatsbeamte und Tagelöhner, Klosterherren und Klosterfrauen: einander bemitleiden, sich wechselseitig Hülfe reichen, von dem, was sie zur Erhaltung ihres Lebens gerettet haben mochten, freudig mitteilen, als ob das allgemeine Unglück alles, was ihm entronnen war, zu einer Familie gemacht hätte."

Jeronimo und Josephe entscheiden sich aufgrund der positiven gesellschaftlichen Wendung in Chili zu bleiben. Sie planen, den Vizekönig per Briefkontakt wohlwollend zu stimmen.

In der Stadt soll nun eine Messe stattfinden, um Gott gnädig zu stimmen und ein weiteres Unglück zu vermeiden. Die Gesellschaft des Don Fernando entscheidet sich dieser beizuwohnen. Auch Josephe und Jeronimo schließen sich dem Zug an.

Nach einiger Zeit wird die zum Tode verurteilte Josephe während des Gottesdienstes in der Kathedrale vom Chorherren erkannt und verraten. Sie wird mit dem Kind des Don Fernando zu Boden gerissen. Don Fernando, der Sohn des Kommandanten der Stadt, versucht Partei für die Enttarnte zu ergreifen. Doch die Menschenmenge, die sich zur Messe zusammengefunden hat, ist aufgebracht und will sich an der "Gottlosen" für das schreckliche Unglück, dass über die Stadt gekommen ist, rächen. Nun sucht die Meute den Vater des Kindes Josephes und meint, ihn in Don Fernando gefunden zu haben. Sie ergreifen ihn. Jeronimo stellt sich ihnen mutig und heldenhaft entgegen. Don Fernando versucht die Liebenden zu retten, wird jedoch übermannt. Jeronimo gibt ihm die kleinen Jungen, Philipp und Juan, mit der Aufforderung, die Knaben zu schützen und in Sicherheit zu bringen. Don Fernando schafft es, einen Degen zu ergreifen, und rettet sich und seine Freunde auf den Vorplatz der Kirche. Die Fliehenden wägen sich in Sicherheit, werden jedoch erkannt. Jeronimo wird durch einen Keulenschlag niedergestreckt. Don Fernando ergreift das Schwert, kann gegen die Menschenmenge allerdings nichts ausrichten. Schließlich stellt sich Donna Josephe und wird ebenfalls mit einer Keule niedergeschlagen. Nun will die Meute auch ihren "Bastard" töten. Don Fernando, beide Knaben auf dem Arme tragend, schwingt das Schwert und tötet sieben Angreifer. Meister Pedrillo, der bereits Josephe ermordet hat, ergreift Juan, von dem er denkt, es sei das Kind Jeronimos und Josephes. Er schleudert das Kind vor die Kirchenwand. Der Knabe stirbt. Don Fernando, überwältigt von seinem Schmerz, befiehlt die Leichname wegzuschaffen.

Er nimmt Philipp mit sich, und er und seine Gemahlin Donna Elvire erkennen den Sohn Jeronimo Rugeras und Donna Josephens als ihr eigenes Kind an, "und wenn Don Fernando Philippen mit Juan verglich, und wie er beide erworben hatte, so war es ihm fast, als müßt er sich freuen."


Autorin: Ina Schmidt im Rahmen des Proseminars "Heinrich von Kleist: Prosa" an der Universität Paderborn, Wintersemester 2005/2006. Dozent: Dr. Stefan Elit