Felix Lorenz
Am Grabe Kleists
Zur 150. Wiederkehr seines Geburtstages
Hohe Föhren. Und ein Stimmenwallen,
Das an deiner Gruft verworren singt;
Deine Leier hör’ ich leise hallen,
Die der abendmüde Wind durchklingt.
Meine Stirn muß ich aufs Gitter senken
An der Stätte, die dir Ruhe gibt;
Viele, Toter, werden dein gedenken,
Aber keiner hat dich je geliebt.
Was das Stürmerleben dir versagte,
Das empfindest du nun jetzt vielleicht,
Wo die Seele dir, die windumklagte,
Eines späten Freundes Dank beschleicht.
Frischen Lorbeer kann ich dir nicht geben,
Nimm die rote Rose auf dein Grab –
Ihre Glut soll deinen Traum durchbeben,
Wenn sie auch ein ferner Sommer gab.
Felix Lorenz [Pseudonym: Lorenz Terentius] (1875-1930)
Aus: Schmargendorfer Zeitung, 16. 10. 1927