Johann Hermann Wilke
Guiskard-Kleist

Aufrecht steht der Herzog der Normannen,
Während schon sein Herz im Tode bricht;
Seiner Augen Himmelsblitze bannen
Nicht den Schmerzenszug im Angesicht.

Aber übermenschlich stark im Willen
Reckt er sich noch einmal kühn empor;
Um das Leid in seinem Volk zu stillen,
Täuscht er ihm gesundes Leben vor.

Doch vergebens. Bei dem letzten Worte
Hat sich schon sein Geist von ihm getrennt,
Schließt der Tod des Schaffens Erdenpforte;
Und ein hehres Drama bleibt Fragment.

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So auch Kleist. In jeder Lebensstunde
Sah er sterbend in das Sonnenlicht;
Aber trotz der tiefen Todeswunde
Kam dem Kämpfer die Erlösung nicht.

Stets von neuem mußte er sich mühen,
Zu erschöpfen seines Geistes Macht;
Ach, mit Rosen, die auf Gräbern blühen,
Hat er uns so überreich bedacht.

Und indes in ihrem niedren Trachten
Herzlos ihn die ganze Welt verkennt,
Fiel der erste Held der Freiheitsschlachten,
Und ein hehres Leben blieb Fragment.


1911

Joh. Hermann Wilke
Aus: Minde-Pouet (1927), S. 60.