Conrad Müller
Zum 21. November 1911
Du Feuergeist, der Ewigkeit entstammend
Und schon als Kind in Fiebergluten flammend,
Früh hast die Fackel du gesenkt;
So hell in dir die deutschen Sterne brannten,
Das Leben hat dir liebelos Verkannten
Nur Wirrsal noch und Tod geschenkt.
Titanisch Berg’ auf Berge übertürmend,
Durch Schluchten bald und bald auf Gipfel stürmend,
Begrub dich eignen Schaffens Last;
Was du geirrt und menschlich sonst gefehlet,
Von Hohem, Ungewöhnlichem beseelet,
Warst du ein Kämpfer ohne Rast.
Doch immer finstrer ward des Unheils Mauer,
Der düstre Schattenmantel immer grauer,
Den Schwermut grübelnd um dich schlug;
Was du begannst, lag bald in kalten Trümmern,
Wo alles litt, schien niemand sich zu kümmern
Um deiner Seele Adlerflug.
Du sahst dein Preußen knechtisch niederliegen,
Des Korsen Frevelfahnen weiter siegen,
Gekettet selbst dich von der Feinde Brut;
Du sahst Luisens Haupt, der engelgleichen,
Wie letzter Hoffnung Strahl im Tod erbleichen,
Da sank auch dir der letzte Mut.
Vergebens riefst du dir den Grafen Wetter,
Den Prinz von Homburg und Armin als Retter,
Schlugst dröhnend an des Schwertes Erz –
Was gilt’s der Welt, wenn einsam sich verblutet
Auf Dornenpfaden, krank und leidumflutet
Ein königliches Dichterherz?
Es raste, wie die Führerin der Amazonen,
Mit dir dein widrig Schicksal ohnen Schonen,
Schlug in dein Fleisch die Zähne ein;
Doch als du stürztest wie Achill, der bleiche,
Da küßt’ und kränzt’ es deine blutige Leiche
Und trug sie in den Lorbeerhain.
Befreit nun ruhst du; leise Tropfen fallen,
Vom See her herbstlich Blatt und Nebel wallen,
Es trägt Natur ein Trauerkleid;
Sie scheint an diesem Grabe mitzuweinen,
Wo eichenschlank aus modernden Gebeinen
Hoch ragt jetzt die Unsterblichkeit.
Aus deiner Saat mit wuchs die deutsche Größe,
Sie schuf durch Blut sich, durch des Schwertes Blöße
Drang sie empor aus Not zum Licht;
Du warst ihr Märtyrer, kein dumpfer, zager,
Das Vaterland, es war in deinem Lager,
Warum brach deine Zuversicht?
Warum? Auf daß wir Enkel noch erschüttert schauen
Die wehen Opfer all’ in Dank und Grauen,
Die einst das Dunkel in sich schlang –
Dort die vom Sturm gebrochne Königsrose,
Hier ihren Sänger mit dem Abgrundlose,
Dem tränend seine Leier sprang!
1911
Conrad Müller [evt. 1858-?]
Aus: Minde-Pouet (1927), S. 49-50.