Gustav Schüler
An Kleist

Großer! Ewiger! Fürst der Lieder,
Stolzer, herrlich hoher Kleist,
Komm aus deinen Welten nieder,
Sag uns all dein Zürnen wieder,
Strahlender Prophetengeist!

Sprenge deiner Grabstatt Wände,
Brich hervor, frei, wild und kühn,
Wie ein Adler durchs Gelände,
Der der Sonne Flammenbrände
Sieghaft aus den Augen sprühn!

Reiß uns auf mit deinem Schelten,
Wie ein Hornschrei wetternd weckt,
Dem die Berge widergellten,
Bis der Glanz aus deinen Welten
Uns wie Scharlachseide deckt.

Stärk’ uns, wenn wir niedersinken,
Mächtig mit der  H e r m a n n s s c h l a c h t ,
Laß die alten Schwerter blinken,
Laß die alten Feuer winken
Zuckend durch die schwerste Nacht!

Dem in drängenden Gesichten,
Über Zeitenfluchten hin,
Deutschlands Pracht in großen lichten,
Zauberkühnen Ruhmgesichten
Strahlte durch den Schöpfersinn:

Hilf uns, wenn der Väter Ehre
Wanken will im Weltgebraus,
Schaff uns eine scharfe Wehre,
Daß der deutsche Geist, der hehre,
Herrlich schirme Herd und Haus. –

Her aus blitzenden Geschwadern
Grüßt dein  H o m b u r g ,  heiß und wild,
Er wie du: Glut in den Adern,
Lieben, Jauchzen, Hassen, Hadern,
Beide deutscher Ehre Bild.

Deine Liebe brach in Bächen
In der  A m a z o n e n b r a u t
Wettermächtig wie dein Rächen –
Wie die Frühlingswasser brechen
Her vom Fels mit Donnerlaut.

Doch dich, süßeste der Süßen,
Deutscher Frauen ewige Art,
Wollen wir mit Reigen grüßen –
Ach, wir sinken dir zu Füßen,
H e i l b r o n n s  Tochter, lilienzart. –

Steig’ hernieder, Geist der Treue,
Kleist, du Bruder, frei und stark,
Alter brandenburger Leue,
Deutschlands Eckart, stark in Treue,
Großer Sohn der sandigen Mark!

1906


Gustav Schüler
Aus: Minde-Pouet (1927), S. 22-23.