Paul Warncke
Kleist
So hungerte kein Sterblicher, wie du.
Und warst so reich doch, Tausende zu laben,
Mit edlem Seelenbrot sie zu begaben,
Und alle Grazien lächelten dir zu.
Dir quoll die Dichtung, wie der Rheinstrom rinnt,
Gewaltig, über Felsen niederbrausend;
Nur wie von fern vernahmen es die Tausend –
Du warest sehend und die andern blind.
Du Himmelsstürmer, nah dem höchsten Glück,
Wie oft das diese Erde kann verschwenden,
Schon griffst du nach dem Kranz mit kühnen Händen,
Da rissen midische Mächte dich zurück.
So gingst du, durstend nach des Ruhmes Trank
Und hungernd nach des Vaterlandes Größe;
Du hattest kaum, zu decken deine Blöße –
Vom Hunger ward dir Leib und Seele krank.
Des Geistes mächtige Glut, die dich verbrannt,
Noch glüht sie fort und fort, emporgehoben,
Von Götterhand zu den Gestirnen droben,
Und leuchtet sterngleich über allem Land!
Aus: Velhagen & Klasings Monatshefte. 1925. S. 379