Paul Zech
An Heinrich von Kleist
Heut müssen Rosen, purpurrote Rosen blühn
Auf deinem Grab, das blanker Morgenreif besternte.
Und die von regenschwerem Schwarzgewölk entfernte
Novembersonne müßte funkelnd niedersprühn.
Was soll der Lorberkränze gleißnerisches Grün
Auf jenem Stein, drin deines Dichternamens Züge
Wie Runen eingemeißelt sind? Was soll die Lüge?
Dir müssen Rosen, purpurrote Rosen blühn.
Dir, der du fröstelnd fremden Feuern unterlagst
Und aufgeblähten Knechten arglos Hand und Ohr,
Oh mehr: dein wunderwarmes Herzblut hast geliehen;
Dir, der du strahlend nun vor der Gezeiten Tor
Hoch wie ein Welterlöser und Erlöster ragst:
Dir müssen Rosen, purpurrote Rosen blühen.
Paul Zech (1881-1946)
In: Minde-Pouet, S. 61 – Sembdner, S. 50.