Friedrich de la Motte Fouqué
An Heinrich von Kleist
Heinrich, mein tönender Freund! du tönend noch, ob im Jenseit
Dunkel verlor sich die Spur deiner cometischen Bahn, –
Du, dem so Vieles auf Erden gebrach, und mislang, und dir fehlschlug,
Hättest das Eine du nur, glühender Sänger, erschaut:
Käthchen, dein Lieblingskind, im Hollundergebüsch süß träumend,
Wie aus jungfräulichem Geist jene holdselige Frau,
Die wir beweinen jetzt, sie hervorrief; Lächeln und Thränen
Weckend dem tieferen Sinn; – Heinrich, du Sängergemüth,
Das, – das wär' ein Triumph dir gewesen, wie du ihn ersehntest,
Wie du verdientest ihn auch, selbst dich vergessend im Bild! –
Aber so Vieles, o Freund, ist klar dir geworden erst Jenseit!
Finde das Käthchen denn auch jetzt unter Palmengezweig.
Wir – wir singen hienieden, wie in den Hollundergesträuchen
Zeisig zwitschert. - Auch das kündet ja ewigen Mai!
1825
Friedrich de la Motte Fouqué (1777-1843)
Erstdruck in: Blumen auf das Grab der Schauspielerin Luise von Holtei, geb. Rogée. Hrsg. von Karl von Holtei. Berlin 1925. S. 84.
Wiederabdruck: Sembdner (2. Aufl. 1985), S. 9.