Christian Maintz
Aus Goethes Gesprächen

Goethe sprach dereinst zu Kleist:
"Lieber Heinrich, wie du weißt,
 
Schätze ich dein Werk enorm,
Deine Sprache, deine Form,

Doch vor allem dein Humor
Kommt mir einzigartig vor.

Über deine Hermannsschlacht
Hab’ ich mich halb totgelacht.

Auch das Käthchen von Heilbronn
Und der Prinz von Dings ... äh von

Homburg oder wie der heißt
Sind zum Brüllen. Wirklich, Kleist,

Deine schrägen Gags und Witze
Sind schon absolute Spitze;

Solche irren Blödeleien
Findet selbst die Stein zum Schreien.

Freilich, der Zerbrochne Krug
Ist mir nicht absurd genug.

Heinrich, guck’ nicht so bedrückt,
Dieses Stück ist dir mißglückt;

Hör gut zu, damit du’s lernst,
Das ist alles viel zu ernst;

Keine Pointen, keine Lacher,
Glaub’ mir, als Theatermacher

Sag’ ich dir ganz rückhaltlos:
Nur im Nonsens bist du groß.“

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Erstmals entdeckt in: taz, 30. 9. 2004, S. 20. - Hier eingestellt mit freundlicher Genehmigung von Christian Maintz - Danke nach Hamburg! - mit folgendem Hinweis: Auch in "Jahrbuch der Lyrik 2006". Hrsg. von Christoph Buchwald u. Norbert Hummelt. Frankfurt a. M.: S. Fischer 2005, S. 36f.) - Günther Emig, 1. 4. 2006

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Christian Maintz, Jg. 1958, Germanist und Autor, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Hamburg. Publikationen u. a. über Peter Handke, Theater und Film, Woody Allen, die Neue Frankfurter Schule und komische Lyrik (Herausgeber der Anthologie "Lieber Gott, Du bist der Boß, Amen! Dein Rhinozeros". Komische deutschsprachige Gedichte des 20. Jahrhunderts. Zürich: Sanssouci 2000.) Regelmäßig Beiträge für die literarisch-kulinarische Zeitschrift "Häuptling Eigener Herd" sowie die "Wahrheit"-Seite der tageszeitung. Wilhelm-Busch-Preis 2002 und 2005.